Ja, Südamerika ist ein sehr schöner, interessanter und vielfältiger, aber auch ambivalenter Kontinent.
Überall, ich war bisher in 9 Ländern (nur nicht in Venezuela und den Guayanas), regieren deutlich sichtbare Polizeistaaten. Es herrschen raffgierige Eliten, die sich den Reichtum der Länder und Menschen unter den Nagel reißen und häufig in Saus und Braus leben. Korruption ist normal, gehört dazu, ist Bestandteil vom Geschäftsmodell, oder was es auch sein mag. Dabei ist es völlig egal, ob sich die Regierenden links, rechts, demokratisch, sozialistisch, liberal, militaristisch, ordnungsorientiert oder wie auch immer nennen.
Demokratische oder bürgerliche Rechte, wie wir sie kennen, sucht man vergeblich. Der Staat und die Polizei mischen sich überall ein und wollen alles wissen. Ob ich 20 Euro tausche oder 100 km mit dem Bus fahre, immer brauche ich meinen Pass, der auch immer eingegeben wird und im Ticket neben dem Namen steht. Immer wird überprüft, ob ich es bin, damit nicht eine andere Person Bus fährt oder Machu Picchu besucht. Absurdistan. So könnte und wollte ich nicht leben.
Weil die Reichen und Herrschenden nicht bereit sind, fair zu teilen, leben sehr viele Menschen im Elend und müssen sich mit dem Verkauf von Kleinigkeiten über Wasser halten. Heerscharen an Menschen verkaufen überall das Gleiche. Dabei würden ein paar ausreichen. Aber wovon sollten die anderen leben? Und die Reichen und die Oberschicht wohnen in umzäunten und bewachten Quartieren (MP im Anschlag). Eine solche Spaltung der Gesellschaft. Das kann nicht gut gehen.
Die Rohstoffe des Kontinents werden von den Eliten an irgendwelche internationalen oder einheimische Lobby-Konzerne verschleudert. Die Menschen haben dann die Umweltkatastrophen zu ertragen. Zum Glück entwickelt sich jetzt etwas Widerstand. Im Salar de Uyuni sind die größten Lithium-Vorkommen der Erde entdeckt worden. Fast jede Batterie braucht das Zeugs. E-Autos in Mengen. Da könnte doch mal eine richtig gute Produktion aufgebaut werden, ohne angeblichen wirtschaftlichen Druck … schauen wir mal.
Fast alles auf dem Kontinent ist total verdreckt, sieht häufig aus wie bei uns eine Mülldeponie. Man könnte den gesamten Kontinent auch als eine solche bezeichnen. Nach 5 Wochen ist es mir immer lästiger geworden, mit dem Rad durch Müllberge zu fahren. Selten werden die Müllmengen mal beseitigt. In Argentinien nimmt man manchmal einen Rasenmäher und häckselt. Vor zwei Jahren war der Müll manchmal bis zwei Meter hoch, als ich aus Buenes Aires herausfuhr. Jeder wirft alles weg, auch riesige Müllbeutel. In Bolivien funktioniert die Müllentsorgung wie folgt: spät abends den Müll auf die Kreuzung, dann die Hunde losschicken, den Rest besorgen die Tauben. Was übrig bleibt, wird manchmal gefegt. In einigen Grossstädten gibt es eine Müllabfuhr. Jeder stellt abends seinen Müll in Tüten auf die Straße (Hunde freuen sich). Später kommt dann die Müllabfuhr. Die Jungs rennen umher und werfen die Beutel ins Fahrzeug. Dann 30 m weiter. Wer nicht schnell genug aufspringt, muss rennen.
Abwasserentsorgung gibt es fast überall, aber wie Steinzeit. Das Klopapier darf man nicht ins Klo werfen, da es sonst verstopft. Überall stehen Papierkörbe hierfür herum. Unhygienisch hoch drei.
Die meisten Menschen sind wenig motiviert, engagiert und kompetent. Frage nie einen einzelnen Taxifahrer nach dem Weg. Die Antwort ist mit Sicherheit falsch. Frage immer eine Gruppe. Dann haben sie 10 Minuten zu diskutieren und kommen mit einer guten Antwort. Bei einer Touristinfo kommt fast immer eine falsche Auskunft. Bitte immer überprüfen und mit einer genauen Karte kontrollieren. Ich habe nur ein einziges Mal erlebt, dass die Info stimmte. Das war bei der Info in Salta. Da bin ich dann auch zurück gegangen und habe mich bei der Dame bedankt. Beispiel gestern: ich wollte mit dem Bus in die Innenstadt und kam bei einem Einkaufscenter im Vorort heraus. Zurück sollte ich vier Blöcke laufen, dann ist da der Schnellbus. Es waren dann ca. drei Kilometer, hoch und runter, über Schnellstraßen. Ohne GPS und Handy wäre ich verloren gewesen. Was machen eigentlich Menschen, die nie am Marathon teilgenommen oder nie mit Hochsprung zu Olympia zugelassen waren??? Wahrscheinlich bleiben die zu Hause oder fahren mit Taxi.
Auch der Nahverkehr existiert nirgends, zumindest nicht, wie wir es kennen. Gestern in Bogota fuhren manchmal ein Dutzend Busse in Kolonne in eine Richtung. Ein Verbindungsbus dann zwei Kilometer weiter. In anderen Städten und Orten, eher normal, fahren „Kleinbusse“, wie die Mashrudkas in Zentralasien, in Schwärmen durch die Stadt etc und saugen alles ein, was nicht schnell genug weg ist. Alle paar Meter anhalten, Strasse blockieren, hupen, schreien.
Was mich aber immer begeistert hat, ist die Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Offenheit der Menschen. Etwas anderes habe ich niemals erlebt. Als ich z.B. in Quito spät abends kurz vor dem Flughafen war, hielt ein SUV an und bot mir an, mich bis zum Flughafen mitzunehmen, da noch ein langer Berg käme. Ich konnte nicht nein sagen, und der Berg war wirklich lang.
Und besonders haben es mir die Kulturschätze der Anden angetan. Einfach toll und leider bei uns wenig bekannt. Es ist vor allem die Kultur vor den Inkas, die durchaus mit China oder Ägypten vergleichbar ist.
Und natürlich die Natur in einer gewaltigen Vielfalt und Größe. Die größten Wasserfälle, die größte Salzwüste, das längste Gebirge …. Einfach phantastisch und überwältigend.