Mitternacht in Kashgar
Der Tag heute war erste Sahne. Es ist Mitternacht hier in Kaschgar. Schön warm, angenehm. Die Kälte der Berge mit dicker Jacke, Thermohose und Handschuhen ist vorbei. Kaschgar ist vielfältig, umwerfend, quirlig, lebendig, freundlich, gegensätzlich, höflich, alt & neu. Es hat halt noch viel von dem Flair der alten Oasenstadt und Handelsmetropole an der Seidenstraße. In den wenigen Stunden hier habe ich mehr erlebt als sonst an Tagen zusammen. Phantastisch ist die Ausschilderung, so dass ich mich jetzt schon hier fast so gut auskenne, wie zu Hause. Die Geschäftsstraßen fast wie Kö, aber natürlich viel belebter. Die vielen Altstadt-Viertel mit pulsierendem Leben. Märkte, Läden, Kneipen, Handwerk. Die klassische Altstadt auf der Klippe am Fluss, Gässchen, Durchgänge, Treppen, Ruinen, Lehmmauern, verwunschene Ecken. Und überall der Rauch und Geruch vom Grill. Hochzeitspaare zum Fototermin. Der Basar wieder riesig, die Gerüche des Orients frei Haus, wie aus dem Märchen von 1001 Nacht, nicht 10 Schuhläden sondern hundert, alle Anzüge dieser Welt in 100 Varianten, größter Baumarkt, Naturapotheke für alle oder Keinen, phantastisch.
Zum Dinner dann in ein besseres Restaurant. Hatte Geld von der Bank geholt und es mir eigentlich auch verdient. Die 100 km von Wuqia gingen leicht, hauptsächlich auf der Autobahn abwärts. Wilde Mondlandschaften im Wechsel mit Oasen und grünen Tälern. Oben noch recht kalt mit Jacke, unten warm und Sonnenbrand auf der Schulter. Das. Hotel tatsächlich sofort und ohne ewige Fragerei erreicht. Was so ein paar Schilder doch ausmachen. Außerdem kann ich jetzt Kaschgar auf Chinesisch lesen, sprechen und schreiben. Kaschgar zu erreichen war schon ein Erlebnis, fast 1000 km nach Taschkent, eine Stadt aus größter Phantasie und tiefster Emotion. Wie Samt und Seide. Und Orient. In der Schule mit dem Finger auf der Landkarte, Marco Polo, Karawanen in der Wüste, Oase. Alle Bilder. Da also bin ich angekommen. Für diese Gnade bin ich zutiefst dankbar.
Heute zum Abendessen in einem besseren Restaurant wurde ich von drei Leuten an den Tisch gebeten, da sie dachten, mir helfen zu müssen. Haben mich auch gut beraten. So hatten wir spannende Gespräche. Drei Leute aus der Stadt, die noch nie außerhalb waren und Chinesisch erst in der Schule gelernt haben. Englisch im Studium. Viel haben wir erzählt aus den verschiedenen Welten. Kaschgar und Deutschland. Morgen Nachmittag machen wir einen Fahrradausflug in die Umgebung. Vielleicht lerne ich morgen auch noch einem Kollegen vom Fernsehen mit Deutschkenntnissen kennen. Da geht die Zeit schnell vorbei, und ist doch so intensiv. Morgen also Kaschgar intensiv.