Aktau

umwerfendes Samarkand

Eine laue Sommernacht hat sich über die Stadt gelegt. In der Ferne ist noch die Musik vom Registan zu hören, die Türme und Portale heben sich vom Nachthimmel ab, der Halbmond steht hoch am Himmel. Das Ensemble kann ich von der Logia vor meinem Zimmer genießen mit ein paar Nüssen und einer Flasche Rotwein. 
Morgen darf ich mir dann diese Stadt mit all seinen wundervollen Bauwerken ansehen. Mein Eindruck von heute Abend bei der Durchfahrt war einfach umwerfend: das große Ensemble am Registan mit Konzert und Lichtshow war einfach umwerfend. Zum ersten Mal fand ich die Videotaste sinnvoll und hab das Spiel von Licht und Farbe aufgezeichnet. Wie es scheint, gibt es eine Steigerung von Chiwa über Buchara nach Samarkand. Ich lass mich überraschen.
Der Tag heute war lang von Navoiy um 8 Uhr, ohne Frühstück, bis hier ins Hostel mit 177 km und fast 300 m Steigung bei 40 Grad +. Da waren viele Pausen notwendig und mehr als 8 l Flüssigkeit (Grüner Tee, Kefirsuppe, Wasser, Bier, Cola). Aber die Eindrücke entschädigen alle Anstrengungen: Leute an der Strasse (offen, aufgeschlossen, neugierig, stoisch gelassen) und im Kafe, das viele Grün, die Berge ringsum unterschiedlich von der Sonne beleuchtet, die Bauwerke, die Vielfalt an Flora und Fauna.
Und die Perspektive hat sich geändert. Jeder will natürlich wissen, wo ich hinfahre. In der Türkei hörte der normale Horizont in Baku auf. Jetzt ist es selbstverständlich, nach China zu fahren. Achso, über Kirgisistan, und wohin in China? Ist aber eigentlich auch klar: bis China sind es vielleicht 1.000 km, bis Istanbul 5.000 km.
Ich bin neugierig, was mich denn morgen so alles erwartet. Vor genau 2 Wochen bin ich in Kasachstan (Aktau) an Land gegangen und vor einer Woche bin ich nach Chiwa reingerauscht. Es war schon sehr viel, was ich in dieser kurzen Zeit sehen und erleben durfte.

ständige Polizeikontrollen in der Wüste bis Buchara

Nach einem ziemlichem Gewaltritt bin ich in Buchara angekommen. Ich hatte die Wüste nach drei Tagen ohne Wasser (außer Wasser in Flaschen) satt. Wind und Strasse waren nicht ganz auf meiner Seite, so dass ich für die knapp 220 km von 7.30 bis 21.30 Uhr gebraucht habe. Genau 6 Wochen seit der Landung in Istanbul und 4.240 km und eine Woche seit der Einreise nach Usbekistan und 790 km war ich also hier. 
In Buchara tobt derzeit der Bär, weil hier ein Volksfest unter dem Namen „Silk&Spice“ läuft. Dazu aber mehr heute Abend. Mitten durch das Volksfest in der gesamten Altstadt bin ich mit meinem Fahrrad auf der Suche nach einer preiswerten Unterkunft. Vor dem Duschen erst was Essen, aus bitterer Erfahrung aus Nukus. Noch einen Schlaftrunk gekauft und dann unter die Dusche. Nach drei Tagen Wüste mit Sturm, Staub, Dreck, viel Schweiß (6-8l  Wasser, Cola, Bier) ein echter Traum. Muss ich noch ergänzen: jeden Abend vor der Dusche ist die Wäsche dran. Was da immer für Dreck und Salz raus kommt. Jetzt sind die Sachen meistens am nächsten Morgen trocken. In den ersten drei Wochen dauerte es bis zu drei Tage bei Regen und Kälte. So ist einiges vom Gepäckträger verloren gegangen.
Die Mahlzeiten kaufe ich im der Regel. Kein Stress mit Einkauf und Kochen. Meine Suppen, Grieß, Haferflocken, Tee, Zucker, Milchpulver habe ich kaum angerührt, außer auf dem Campingplatz. Für Zwischenmahlzeiten oder fehlende Kafes habe ich immer Brot, Schafskäse, Oliven und Kekse dabei. Seit Kasachstan geht es zu Trockenobst und Nüssen über, Oliven sind hier unbekannt. An Wein und Schluck habe ich auch einen kleinen Vorrat dabei, in der Türkei Raki, in Georgien Cognac, seit Aktau Wodka.
Ansonsten gibt es nichts zu berichten, die Strasse war fast den ganzen Tag gerade aus und kaputt, ständig Polizeikontrollen, Frühstück um 8 an der Landstraße (Brot, Aprikosen, Nüsse, Käse). Mittag in einem kleinen Kafe (Blätterteigtaschen mit Hammel), Zwischenmahlzeit an der Strasse.
40 km vor Buchara wurde es grün wegen des Zafron, der hier endet (versickert). Daher war Buchara immer schon Oase gewesen.

… und abends ein faszinierendes Spiel von Licht und Farbe

Die Hitze des Tages ist gewichen. Rote Zirren ziehen eilig über den Himmel. Die Medressen zeichnen dunkel gegen den Himmel, hier und dort geht ein Licht an, ein angenehmes Lüftchen kommt vorbei, die Schwalben schießen halbhoch vorbei, es wird leer, die Touristen fahren nach Hause. Es ist ein angenehmer Abend im Frühsommer in Chiwa. Ich sitze fast alleine im Restaurant und genieße das Essen und den Abend. Die Sichel des Mondes steht über einer der vielen Medressen. Es wird ruhig in der Stadt.
UNESCO-Kulturerbe, bewohntes Freilichtmuseum, Märchen aus 1001 Nacht. So präsentiert sich die Altstadt. Paläste, Medressen (Schule, Koranschule), ehemalige Moscheen, Wohnhäuser aus Lehmziegeln, Hotels in klassischem Stiel. Die vielen Souvenierläden nerven, gehören aber dazu. Das Spiel von Licht und Farben fasziniert, vor allem gegen Abend. Es sind die Erdtöne, die dominieren, aber die vielen farbigen Kacheln stechen hervor, stehen im Kontrast, sind Kontrapunkt, letztlich jedoch auch Einheit.
In den Gebäuden ist nicht viel zu sehen und es ist bald monoton. Es ist aber dieses Ensemble, das den Reiz ausmacht. Was müssen die Karawanen in alten Zeiten gefühlt haben, wenn sie aus der Wüste in diese Oase kamen? Etwas nachvollziehen kann ich es nach einer Woche von Aktau bis hierher.
Ich bin nun gespannt auf Buchara, Avicena, Ibn Saud, Ulugbek. Morgen geht es weiter.

no drugs, no alcohol: Mobile Paßstation mit Gesichtserkennung

Es hatte dann noch länger gedauert, bis die Zollformalitäten an Bord geklärt waren. Es waren noch drei andere Personen da, die ich dem Personal zugeordnet hatte, die aber auch nach Kasachstan wollten. Zwei Stunden dauerte alles. Sogar mobile Paßstationen mit Netzanschluss und Gesichtserkennung hatten sie dabei. Dann musste alles ganz schnell gehen: aufs Fahrrad geschwungen, an den Waggons vorbei, die Rampe runter, hinter Zollauto her und zur nächsten Station. Tür aufschließen, alle rein, Tür zu. Mündliche Zollerklärung: no drugs, no alcohol. Raus durch die enge Tür, good luck. Dann ein Geldautomat, sogar für Visa. Aber wieviel Geld braucht man? Nur hohe Beträge über 5.000 in der Anzeige. Handy geht nicht. Also wie viel? Ich entscheide mich für 10.000. War dann doch nicht viel, so 40 €. Immerhin. Noch 10 km bis in die Stadt, keine Schilder, wird dunkel. Nach Gefühl zur Stadt. Weiträumig, Ölleitungen, große Anlagen. Bald die ersten Häuser, Plattenbauten, Interhotel, Leninprospekt. Hier nicht, drehen, andere Strasse. Zwei Radfahrer überholen mich und wir kommen mit Englisch ins Gespräch. Zu einer preiswerten Pension bringen sie mich (25€) und holen mich später zu einer Stadtrundfahrt mit SUV ab. Mit 200.000 Einwohnern groß und großräumig, 5 km Strand und Promenade, um 23 Uhr immer noch voll. Oper, Theater, Kinos, Supermärkte, Denkmäler, aber nur eine Moschee, EFES-Reklame überall. Um 24 Uhr geht nichts mehr. In der Pension bekomme ich noch eine Suppe und ein Bier. Das war es dann für den Tag.
Lange, ruhige Stunden an Bord (mehr als 10 Knoten fuhr es nicht), aber ständige Vibrationen wie Rüttelsieb, schlecht geschlafen (wieder Ärger mit Vermieter), neue Eindrücke. Jetzt bin ich wirklich in Asien angekommen. Wie geht es weiter? Ich bin gespannt.

schippern auf dem Kaspischen Meer

Gestern abend ist Jürgen als einziger Passagier endlich auf einem Schiff zwischen Baku und Aktau gelandet. Die Überfahrt soll etwa 24 Std+ dauern. Vor heute abend/heute nacht sind also keine neuen Reisebeschreibungen von ihm zu erwarten. Dann will er  500 km durch Kasachstan zum letzten Land dieser Tour, nach Usbekistan, radeln. Wenn er in dem bisher vorgelegten Tempo weitermacht, dürfte er noch vor dem nächsten Wochenende diese Grenze überqueren.

Ich drücke ihm ganz toll die Daumen, daß er gesund und heiter am Ziel ankommt.

Preise in Aserbaidschan höher als in Deutschland

Satz mit x: Das war dann wohl nix mit dem Schiff nach Aktau. Kam einfach nicht und konnte daher nichts laden und auslaufen. Ein türkischer LKW mit Schwerlast und Überbreite, den ich seit Gori mehrfach gesehen hatte, wartete ebenfalls vergeblich. Das Schiff, das dann beladen wurde, fuhr – nach umfassenden Recherchen rausgekriegt – nach Turkmenabad. Also durfte ich um 23 Uhr wieder ins Hotel fahren und die dortige Gastlichkeit genießen. Morgen werde ich dann versuchen, einen Flug zu bekommen. Schiff ist natürlich geiler, aber nur wenn dann, wenn es auch fährt. Die Auskunft und Zusage vom Ticketoffice scheint nicht sehr hilfreich zu sein.
Den Tag hatte ich mit Stadtbummel, Besichtigung der interessantesten Plätze und des historischen Museums verbracht. Eine solche Vielfalt an Ausstellungsstücken und Zeiträumen habe ich noch nie gesehen. Gerade der Zeitraum von 1.500.000 bis 200.000 vor, also vor den Neandertalern, war sehr spannend. Aber auch der Bereich Altsteinzeit war sehr umfassend. Der Zeitraum 10.000 bis 4.000 vor kaum dokumentiert, obwohl das eigentlich hier besonders spannend gewesen sein muss (wie Catal Hüjük, Jericho und Nordsyrien/Irak). Die Ölindustrie durfte natürlich nicht fehlen. Interessant war der Konflikt Armenien/Aserbaidschan seit 150 Jahren. Die Pogrome der Armenier gegen Türken und Aserbaidschanner vor 100 Jahren war mir neu. Das muss ich später überprüfen. Von 1918 bis 1920 war Aserbaidschan schon mal eine eigenständige Republik, bis die Rote Armee kam.
Ich finde es daher immer wieder spannend, seinen Arsch hoch zu kriegen, andere Länder und Kontinente zu besuchen und neu auf die Welt zu sehen. Die napoleonischen Kriege aus der Sicht von Barbados, Boston oder Baku sind wirklich spannend, oder der Krimkrieg in Helsinki und Tiflis oder Kabul.
Also auf ein Neues Morgen. Ich bin neugierig. Wo werde ich die nächste Nacht verbringen? Aus dem Wetterbericht der BBC für Europa bin ich jetzt draußen. Die Preise hier sind wie bei uns, eher höher.