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Mittsommer am Polarkreis

Das GPS spielt verrückt. Zuerst änderte sich die Zeit bis zum Sonnenuntergang sehr, je weiter ich nach Norden fuhr. Schließlich war es klar: Sonnenuntergang um 1.53 Uhr. Kurz darauf, die Sonne stand noch ziemlich hoch, kam die Meldung: Sonnenaufgang in 1h 54min.
Ziemlich genau am Polarkreis liegt dies Eagle Plains, Tanke, Hotel, Zeltplatz, Werkstätten für alles, Flugplatz, Strassenmeisterei. Ziemlich frei von Mosquitos auf 700m.
Der Tag war wirklich anstrengend, da der nächste Platz 180 km weiter war und die Straßenbauer versucht haben, alle Berge an der Spitze zu treffen mit steilen Anstiegen von 8 bis 10%. Die Schotterstraße nach Inuvik an der Mündung des Mackensie (Dempster Highway) ist grossenteils erstaunlich gut. Bei Regen schlammig, häufig Schlaglöcher. Meine vordere Satteltasche hab ich bei voller Fahrt verloren. Die Dose Bier hat es zerrissen. Schade. Und die Tasche voll Bier. So haben die Ersatzteile mal was gutes bekommen. Mitten bei der Trockenaktion kam der Regen. Wann sonst?
Die Ursache war dann schwieriger zu finden. Dann die Überraschung: Die guten teuren Ortliebtaschen sind nicht für tauge Straßen geeignet. Der Verschluss war völlig abgeschliffen, so dass die Klauen nicht greifen. Mit einer starken Leine ist die Tasche fest, aber dauerhaft. Kurz darauf ging die Kette ab. Bei dem Schlamm, Staub und Wasser auch kein Wunder. Also reinigen und etwas Kettenöl.
Die Landschaft ist meistens überwältigend. Seit den Tombstone Mountains habe ich das Gefühl durch Werkstatt und Labor der Erschaffung der Erde zu fahren. Überall Mineralien, verschiedenste Gesteine, schwarze, rote, gelbe Flüsse. Manchmal der Geruch von Schwefel, dicke Kohleschichten, Schotter zu riesigen Berge aufgetürmt, riesige Kalkwände, Unmengen an Bäumen in den Flüssen und an den Hängen.
Hätte ich nicht gedacht, dass der Norden hier so gebirgig ist. Sah auf Karte und Atlas eher flach aus. Vielleicht komme ich ja da noch hin. Heute über den Polarkreis und die Grenze nach NWT. Morgen dann Fort Macpherson am Peel und Mackensie, beide mit Fähre. Sind erst seit drei Wochen offen, wegen Eisaufbruch und Schollen. Seit Tagen bin ich im Bereich von Permafrost, eigentlich seit Dawson.

 

Engineer Creek

Als führe ich in der Werkstatt oder dem Labor des Erbauers der Erde entlang. Unfertige Hügel und Berge zu Hauf. Gelbe Flüsse mit den Rohstoffen. Grabenverwerfungen. Kontinentenkollisionen. Hier ist was los. Und der kleine Wastl mittendrin. So hatte ich mir den Norden Kanadas nicht vorgestellt. Eher flach und Tundra. Aber die Bäche (Creeks) und Flüsse (River) sind entweder schwarz, rot oder gelb. Je nach dem, was im Oberlauf so liegt: Kohle, Eisen, Schwefel. Mein alter Freund Thomas, der Geologe, hätte seine Freude daran, zumal er seine letzten Jahre für eine kanadische Firma gearbeitet hatte…
Ansonsten habe ich heute alle Freuden des Radelns erlebt: Regen, Gegenwind, Berge. Häufig in voller Kombination. Dazu kommen seit heute Mosquitos in Schwärmen. Für alles gibt es eine Lösung: Lange Hose, langes Hemd, Bienenschleier. Und natürlich Spray. Da fallen die vom Himmel, bevor sie ahnen, das es sowas gibt. Mit der richtigen Ausrüstung alles kein Problem. Für die Berge ein paar mehr Muskeln und Übung, gegen den Regen den Poncho. Nur mit dem Wind. Beim Segeln immer hart dran. Doch ist die Strasse nicht breit genug, häufig steil. Trotzdem bin ich vorangekommen. Auch ohne Asphalt, oder gerade deswegen, ist die Straße hervorragend, so wie ich sie vor 46 Jahren in Nordskandinavien erlebt habe.
Anstrengend und faszinierend. Einfach genial.

Vorher habe ich zwei Kanadier getroffen, die ersten, sonst nur Europäer. Seit Inuvik unterwegs. Die Strasse ist übrigens wirklich sehr gut.
Mein Zeltplatz hat richtig viele Mücken. Mit Hut und Schleier geht es ganz gut. Der Topf mit Spaghetti war sehr voll, und dann noch ordentlich Käse. Hungern muss ich nicht.
Beafort See und Mackenzie sind jetzt die nächsten  Ziele.