Kanada

Am größten Fluß Kanadas, dem Mackenzie, angekommen

Keine Angabe stimmt. Die Betriebszeiten der  Fähre über den Mackenzie werden offensichtlich von den Beschäftigten bestimmt. So war also nach 23.30 Uhr kein Betrieb mehr. Also musste ich mein Zelt aufbauen, neben einigen Wohnmobilen und bis um 8.30 warten. Einem LKW ging es nicht anders.
Mit meinem vollen Mückenequipment kann ich das Zelt überall aufbauen. Ein paar Menschen in der Nähe ist nicht schlecht.

Früh am Morgen war ich losgefahren, da der Tag lang werden würde. Zum Glück war es trocken geblieben, dadurch sind die Straßen wieder passierbar. Über den Pass in den Richardson Mountains, die Landesgrenze nach NWT sollte es gehen und weiter zum Peel und zum Mackenzie River. Die Landschaft wurde karger, der Schnee nahm zu. Wilde Schluchten tauchten auf. Der Pass war mit 984 m nicht zu hoch. Mit dem üblichen auf und ab erreichte ich bald das Ende des Gebirges und den ersten Blick auf den arktischen Norden. Es sind zwar noch 200 km bis zur Beaufort Sea, der Norden ist aber da. Endlich. „Beaufort Sea ich komme“.

Peel River. Fähre. Noch ein paar Kilometer bis Fort McPerson. Neue Zeit in NWT. Eine Stunde vor. Gerade noch rechtzeitig zum Einkauf, aber nicht mehr zum Restaurant. Um 8 werden die Bürgersteige hoch geklappt. Also Abendessen vom Einkauf auf einer Parkbank.
Das Delta ist aber keineswegs flach, Felsen, Endmoränen, bedeckt mit Sträuchern und einigen Krüppelbäumen. Weit nördlich vom Polarkreis. Prudhoe Bay und Hammerfest sind noch weiter nördlich. Im Winter wird es aber richtig kalt, wie ich heute erfuhr, auch mal -58 Grad.

Am Machenzie war dann für heute Schluss. Nur hatte ich ihn mir sehr viel größer vorgestellt als zweitgrößten Fluss von Nordamerika.

eine sanfte Landschaft wie in Skandinavien

Eine Landschaft wie Skandinavien, auch der Himmel so hoch. Es war ein sehr warmer Tag heute, um 19 Uhr zeigte das Thermometer am Zeltplatz noch 23 Grad. Viele Seen, Lac la Hache, Lake William. Und wenig Mücken, also kein Sumpf. Weidewirtschaft. Sanfte Hügel. Wald, aber etwas dünner schon. Kleine Orte (Tankstelle und co) und größere. Nach Williams Lake ging es steil runter, liegt im weiten Tal des Frazer, und wieder 300 m hoch.
Auf dem Zeltplatz ein Radfahrer aus Japan, kam von Anchorage und will nach Südamerika und dann Afrika und Europa. Und zwei total nette Biker aus Deutschland, seit April von LA aus unterwegs auf dem Weg in den Norden mit viel Zeit (die Kinder sind jetzt groß).
Von der First Nation hatte ich noch wenig berichtet. Außerhalb der Städte haben sie die Mehrheit. Europäer sind eher selten. Deren Siedlungen sind häufig mit Wohnwagen ergänzt. Meistens auf Anhöhen, wohl wegen der Mosquitos. Die Männer tragen fast immer lange Haare. Ansonsten sind sie in allen Jobs. Mit deren alter Kultur muss ich mich noch mehr beschäftigen. Technisch Steinzeit, aber geistig und emotional sehr, sehr vielfältig.

Die Kuh gegen die Bären reiten

Eine Schweizer Kuh ist jetzt aus meinem Rad geworden. Eine Glocke ist dran und bimmelt ständig vor sich hin. Ob das wirklich gegen Bären hilft, wird sich noch zeigen. Hier im Baum schimpft gerade ein Vogel vor sich hin. Mich meint er wohl nicht. Langsam wird es dunkel. Der Schnee auf dem gegenüber liegenden Berg Cheam, wie ihn  die „First Nation“ nennt, leuchtet noch hell herüber. Ein paar Mücken sind herausgekommen, weil der Wind weg ist. Mein Zelt steht direkt am Fraser River im Küstengebirge. Starke Strömung, aber niedrig. War nicht so viel Schnee im Winter, wie die Einheimischen sagen. Dafür liegt aber im Norden noch Schnee und Fähren sind wegen Eisgang noch geschlossen. Aber da muss ich ja nicht hin.
Auf der anderen Uferseite tutet ein Zug durch den Wald. Alle halbe Stunde schleicht da so ein Gefährt mit drei Loks und einigen hundert Waggons ordentlich laut Richtung Vancouver. Umgekehrt selten. Aber sehr langsam. Der Fraser River mündet bei Vancouver in den Pazifik.
Hinter Vancouver wurde die Landschaft einsamer und schöner. So wie Schwarzwald. In der Ferne war der Mt. Baker zu sehen. Gerade ist da ein etwas größerer Fisch gesprungen.

Die Strassen sind angenehm mit breiten Fahrradstreifen oder Standspur. Es sind außerhalb der Städte aber wenige Räder unterwegs. Leichter Wind aus Süd und ca. 20 Grad mit Sonne. Wird aber spät dunkel. Die hellen Nächte werden noch kommen. Heute musste ich erst einmal 100 km am Fluss nach Osten fahren. Jetzt kommt er aber schon aus Nord. Da geht es morgen in die enge Schlucht. So belebt wie das hier ist, brauche ich nicht auf Bären zu achten. Vorbereitet bin ich aber mit bärensicherem Sack für Lebensmittel, dem Bärenspray und Glöckchen und Pfeife (zum Krach machen).

Das kanadische Bier, das sie mir im „Liquerstore“ empfohlen hatten, schmeckt nicht so richtig. Beim nächsten Mal nehme ich dann ein europäisches. Ist beides gleich teuer. Immer so um die 4 CDN je 0,65€. Alles andere ist richtig teuer. Dafür gibt es hier auf dem Lande bei jeder Tankstelle auch einen Liquerstore. In der Stadt müsste man fragen. So wie in der Türkei, nur viel teurer. Dass Kanada so muslimisch ist, hätte ich auch nicht gewusst (oder doch wahhabitisch christlich???). Schon wieder ein Zug. Jetzt sind auch ein paar Sterne zu sehen.

Irgendwie zählt Vancouver nicht zu meinen Lieblingsorten. Hochfinanz neben dem Nachtlager der Junkies. Ruinen neben Prachtbauten, wie der Osten vor 10 Jahren. Viele Straßenzüge in den Vororten dreckig und heruntergekommen, daneben Konsumtempel. Fast alle Schaufenster mit Stahlmatten von innen gesichert, so wie die Bronx früher. Alkoholleichen und Junkies im Endstadium torkelnd auf den Straßen oder im Delirium halbnackt herumliegend. Einkaufswagen mit Plastikplane ist die übliche Wohnung im Park oder auf der Straße. Nichts darfst Du draußen stehen lassen: „Für manchen ist ein Vorderrad der Tauschwert für den nächsten Schuss“, wie man mir sagte. Der Hauptbahnhof ist nicht ganz so belebt und besucht wie der von Eilenburg-Ost. Irgendwie machte die Stadt einen sehr zerrissenen Eindruck auf mich. Auch das Museum wirkte ziemlich desolat. Das Hostel in der Stadtmitte war ganz nett. Ich war noch nicht einmal der Älteste im Zimmer; ein Australier wusste, wie es richtig ist mit Jesus und was man machen muss. Aber sehr liebenswert und verständig.
Für die Einkäufe habe ich lange gebraucht, da Supermärkte selten (besser fragen), Wein unbezahlbar, Karten für das Navi (Kanada) nicht vorhanden (das müssen Sie auf Ihren PC laden! Haben wir nicht!). In Taschkent hatte ich alles nach drei Stunden erledigt, mit 20 km Fahrt. Gestern hatte ich noch nicht alles und immerhin 140 km auf dem Tacho. Den Rest gab es heute morgen auf dem Weg.

Im Fluss scheint ein Sprungwettbewerb stattzufinden. Jetzt ist es fast dunkel, so wie im Winter in den Alpen im Skiort.
Mal sehen, wie es morgen wird.

Start in Leipzig und Ankunft in Vancouver

Es ist schon hell. 5.30 Uhr Uhr. Das Haus liegt hinter mir. Rita war bis zur Tür mitgekommen. Das Rad läuft leicht. 7616 km ist der Stand. Am Leipziger Bahnhof ist schon richtig was los.

Für mich fährt aber nur der vordere Teil vom Zug. 32 kg Gepäck, 19 kg Fahrrad und ich. Alles im Zug. Die Reise hat also begonnen. Bis Würzburg dann jede Milchkanne.

Dann auf dem Flughafen. Fahrrad verpacken und einchecken wurde (wie immer) dann doch eng. Zum Glück hatte ich Economy Premium gebucht und damit einen eigenen Schalter. Bei der Sicherheitskontrolle büßte ich zwei Feuerzeuge ein, viel Zeit und fast meinen guten Schraubenschlüssel 15 er, der mich seit 1970 auf allen Radtouren begleitet. Ist für die Schrauben an Achse und Pedale. Hatte ich im Juli 1970 in einem Autohaus in Rovaniemi gekauft für eine Reparatur am Hinterrad. Mit viel Glück durfte ich ihn behalten. Angeblich ein verbotenes gefährliches Werkzeug. Kann man mit einem Schraubenschlüssel ein Flugzeug in der Luft zerlegen oder den Piloten samt Besatzung erschlagen? So kam ich zum last call erst beim gate an.

In der Bahn und im Flugzeug bin ich dann immer wieder eingedöst. War ja auch nur eine kurze Nacht. All das Gepäck und die Ausrüstung für die Expedition. Von Ersatzbatterien über Camping komplett bis Lebensmittel und Wasseraufbereitung. Und dann noch die vielen kleinen Aufgaben im Haushalt.

Aber jetzt sitze ich im Zentrum der Altstadt von Vancouver. Einige Häuser sind über 100 Jahre alt. Und gegenüber steht das Denkmal des Stadtgründers, der 1860 das erste Haus baute. Sie ist eine Stadt der Gegensätze. Prachtbauten neben Slums mit heruntergekommenen Menschen, die auf der Straße wohnen, Alkoholeinschränkungen neben den Sterbenden von Alkohol und Drogen in ihren letzten Zuckungen. Es ist von allem da, auch genau nebeneinander. Und natürlich die grandiose Natur mit den schneebedeckten Bergen neben dem Jachthafen oder dem Flughafen für Wasserflugzeuge in der Innenstadt. Fröhliche Strassenmusik neben dem Konsumtempel.
Morgen noch die letzten Einkäufe gegen Moskitos und Bären und einige Museen und Besonderheiten, dann geht es wirklich los.