Hexikorridor

Große Vorhaben erfordern zeitiges Aufstehen…

Der Wecker bimmelte um 5.50 Uhr, denn ich hatte heute Großes vor! Den großen Sprung nach vorn (Mao 1960). Der Bus nach Jiayuguan sollte am Sonntag schon um 8 Uhr fahren. Polizeikontrolle und Gepäckscan brauchen ihre Zeit. Also lieber eher da sein. Ich kam um 6.45 mit dem Personal und konnte mein Fahrrad mit Messer und Gasflasche direkt auf den Busplatz schieben. Gelöst. Gegenüber war eine Kneipe mit Frühstück für die frühen Gäste. So kam ich zu 5 großen gefüllten Teigtaschen und einer Suppe für 1,50€. Dann war aber die Kontrolle immer noch nicht besetzt. Nach einer Weile kamen die Busfahrer, und ich konnte das Fahrrad als Ganzes reinschieben, nicht ohne dem Fahrer noch 20 Y gegeben zu haben, wegen der Menge an Gepäck. Bei der Abfahrt pünktlich um 8.00 Uhr ging die Sonne auf. So ein paar Kilometer im Bus durch Wüste und Steppe waren auch mal ganz nett. Bis Jiayuguan gab es eh nichts zu besichtigen. Pünktlich im 12.30 lud mich der Bus am Ortseingang raus. Die Suche nach der alten Festung und dem klassischen Ende der Großen Mauer war wegen fehlender Hinweisschilder etwas schwierig und langwierig. Warum begreifen die Verantwortlichen in Zentralasien nicht, das nicht die Bewohner, sondern die Anderen die Schilder brauchen. Gleiches Spiel in der nächsten Stadt, wo die Hinweisschilder nur zur Autobahn führten, die Strasse dann aber plötzlich im Bauhof endete mit einem Bretterzaun. Solche Schilder brauch ich nicht. Das müssen sie noch alle lernen, von Aserbaidschan bis China. Es ist aber auch ein Kreuz mit den Diktaturen.
Irgendwann war ich in der Festung von 1100, die das westliche Ende der Großen Mauer darstellt. Weitere Mauerreste weiter westlich hatte ich schon besichtigt. Hier war eigentlich das Westende zur Sicherung des Hexikorridors. Inzwischen sind die Festung und die innere Stadt neu errichtet, ein Bauboom wie seinerzeit beim Kaiser. Es gibt auf jeden Fall einen tollen Eindruck von den 25.000 km Mauer. Mit neuen Eindrücken ging die Pfadfinder-Fahrt dann weiter nach Osten. Mal sehen, wo ich morgen lande. Auf 40 km keine Kneipe, kein Restaurant, kein Laden, nur Strassendörfer und Bauernhöfe. Weil es schon lange dunkel war, hoffte ich auf den nächsten Ort. Nach einer kurzen Essens- und Orientierungspause kam ich plötzlich in eine Ansammlung von Kneipen und Hotels. So ganz plötzlich aus dem Nichts. Ein versöhnliches Ende eines langen Tages.

Oh, ich bin SAUER !!!!!!

So verarscht worden bin ich lange nicht mehr. Alles was der Staat anpackt, kann nur schief gehen. In China ist der Staat eine Krake, ein aggressives Krebsgeschwür. Ich wollte also zu den Magaohöhlen. Gesagt, getan. Nach 12 km biegt die Zugangsstrasse ab und gleich springen 3 Polizisten auf mich zu und wollen irgendwas. Ein paar umherstehende Obsthändler haben ein Smartphone und können damit übersetzen, dass ich ein Ticket brauche. Ein paar Kilometer zurück ist eine Mautstation. Also hin, Verkehr komplett blockiert, weil ich das Ticket wollte. Irgendwann kam der Chef und erklärte, dass ich zum neuen Zugangsgebäude müsse. Sah von weitem wie Flughafen aus. Der konnte man mir nur ein Ticket mit Busfahrt zu den Höhlen verkaufen. Nach Beratung aller dort anwesenden 10 Personen war klar, dass ich im Ticketbüro kein Ticket kaufen kann. Dies ginge nur in der Stadt. Hier gibt es nur Busfahrt mit Ticket. Nach langem Palaver haben sie mir dann aufgeschrieben , wo ich denn hin muss, freundlicherweise in chinesischen Hyroglyphen. Also in die Stadt zurück. Dort, wo ich das Ticketoffice vermutete bin ich erstmal in ein 5-Sterne-Hotel, um nach dem Büro zu fragen. Tatsächlich konnte eine der vier Damen an der Rezeption drei Worte englisch. Mit meinem Zettel und Palaver zeigte sie mir ein Hotelbüro am Eingang. Freundlicherweise kam sie mit. Dort wurde sie abgekanzelt, bekam aber den Hinweis, dass auf der anderen Seite der Kreuzung irgendwas sei. Die kam auch hier mit. Tatsächlich, es stand Ticketoffice dran. Dort wurde sie wieder abgekanzelt und auf die andere Straßenseite verwiesen. Dort erklärte man ihr, dass es hier nur Kombitickets gäbe, und sie wieder zurück müsse. Nach massivem Protest ihrerseits bekamen wir einen Schalter zugewiesen. Nach 10 Minuten hatte ich dann das Ticket für stolze 160 Y, was einer Übernachtung in einem guten  Hotel entspricht oder dem Wochenlohn eines einfachen Arbeiters. Die 60 Y für den Bus hatte ich gespart und obendrein einen umfassenden Einblick in die chinesische Bürokratie bekommen. Die Mitarbeiterinnen im Hotel waren mindestens genauso genervt wie ich, haben mir aber wunderbar geholfen. Wenn aus China mal was werden soll, dann nur durch Abschaffung der Bürokratie und Entlassung aller dort Beschäftigten sowie Übertragung aller Tätigkeiten auf Menschen aus der Wirtschaft.
Armes Land mit großartiger Geschichte. Die durfte ich dann tatsächlich noch ansehen mit meinem teuren Ticket. Auch die Chinesen zahlen den gleichen Preis. Es sind wirklich tolle Kunstschätze, die dort zu sehen sind. Nur mit Führung, ist aber o.k.. War sogar in englisch, mit einer Gruppe Skandinavier war ich unterwegs. Wunderbare Malereien und Skulpturen von 400 bis 1200, die nur deswegen erhalten sind, weil die Höhlen 600 Jahre unter einer Düne vergraben waren. Von den ca. 50.000 Manuskripten sind die meisten vor 100 Jahren verkauft worden, u.a. das älteste Druckwerk/Buch der Erde. Schade, muss ich also nach London fahren. Die meisten Farben haben auch heute noch eine unheimliche Ausstrahlung. Nur die Farben auf Bleibasis sind oxidiert und schwarz. Diesmal waren es nicht die Deutschen, die geklaut hatten. Die Dokumente können heute in London, Paris, Tokyo und Delhi bewundern werden.
Nach der Besichtigung kam ich noch kurz mit den anderen ins Gespräch. Heute haben wir uns dann noch zweimal zufällig getroffen, bei den Dünen am Mondsichelsee und auf dem Nachtmarkt von Dunhuang. Eine Gruppe von Architekten aus Südschweden und ein paar Andere. Auf dem Nachtmarkt haben wir uns dann noch länger unterhalten. Die fahren nach Lanshou zurück und dann mit der Eisenbahn nach Lhasa/Tibet.
Ja, die Dünen des singenden Sandes mit dem Mondsichelsee bei Sonnenuntergang war schon ein  Erlebnis. Nur die anderen Tausenden an Touristen und der wieder sehr hohe Eintritt von 120 Y waren sehr störend. Die Dünen sind wirklich sehr hoch, vielleicht 200 m. Und jeder darf überall herumlaufen, zu Fuss oder auf dem Kamel.
Morden geht es dann weiter, erst einmal mit dem Bus in den Hexikorridor.

In der Provinz Gansu angekommen

Heute ist ein besonderer Tag, denn ich habe gehen 14 Uhr ganz ohne Hinweisschilder die Provinz Xinjiang verlassen und bin jetzt in Gansu. Am Abend habe ich Liuyuan erreicht, ein kleines. Örtchen am Rande der Wüste. Hier gabelt sich die Seidenstraße in die Nord- und die Südroute um die Taklamakan. In Kashgar kommen die beiden Routen wieder zusammen. Außerdem bin ich genau vor vier Wochen in Leipzig aufgebrochen und am Abend in Taschkent angekommen.
Ansonsten war der Tag nicht spektakulär, immer nach Süden durch das Bai-Schan-Gebirge mit Hochebenen, einem Teil der Gobi. Das ganze Gebiet ist ein Naturschutzgebiet Wüste. Die Strasse, hier nur Autobahn, führte schnurgerade durch die Gegend. Manchmal ein paar kleine Biegungen, meist eben, häufig leicht rauf und runter mit kleineren Pässen bei 1800 und 1900 m Höhe. Am Abend war ich dann in Liuyuan, ein kleiner hässlicher Industrieort mit Bahnhof. Daher einige kleinere Hotels, gut und preiswert. Eine ungewöhnliche Kombination bisher in China.
Heute Mittag traf ich den jungen Italienischen Radfahrer wieder. Nach einem kurzen Plausch haben wir uns verloren. Vielleicht treffen wir uns in Dunhuang wieder. Er ist in Venedig gestartet, über den Balkan, Griechenland, Türkei, Iran und Usbekistan hierher gekommen. Weiter fährt er am Rand von Tibet nach Süden bis Hongkong.
Ich werde auch ein Stück Südroute fahren, um Dunhuang zu sehen. Dann werde ich ein Stück mit dem Bus in den Hexikorridor fahren.