Monatliches Archiv: November 2014

Ich bin wieder in Deutschland und blicke auf China zurück …

Der letzte Tag. Zeit für ein kurzes Resümee. Ein riesiges Land, so groß wie Europa. Sehr vielfältig, aber monolithisch. Sehr freundliche und hilfsbereite Menschen, meistens. Sie sind dem Fremden gegenüber häufig hilflos. Viele ältere Menschen haben diese stoische Gelassenheit und Nachsicht mit diesem tiefgründigen Lächeln. Jüngere Menschen sind da viel hektischer. Die chinesische Klassiker von Konfuzius bis Laotse scheinen keine Bedeutung mehr zu haben. Wenn Du denkst, die lesen in ihrer roten Maobibel, ist es doch das rote Handy mit Klapphülle. Gut sind die vielen öffentlichen Toiletten in den Städten, höchsten 400 m bis zur nächsten. Unverschämt die Eintrittspreise für Museen, Kulturstätten etc. Zu Dunhuang hatte ich was geschrieben. Um den Fußgängertunnel nach Pudong zu nutzen, sind 120 Y zu zahlen. Sehr praktisch sind die Stöpsel im Waschbecken: funktionieren immer und können nicht geklaut werden. Die Installationen sind vorhanden aber nicht verstanden. In den Neubauten sind die Fenster aus Alu ein Katastrophe. VW hat ein Monopol auf Taxis: zu 90% VW Santana.
Polizei überall, vor allem im Westen. Ewige Kontrollen. Bahn ein Hochsicherheitsbereich. Ohne Scan kommst Du nicht in die Schalterhalle. Und dann gehts es heftig weiter. Bei Bussen ist es viel einfacher. An den Flughäfen ganz anders: keine Polizei, keine Scans, erst vor dem Boarding.
Grandiose Landschaftem, das ganze Land eine einzige Baustelle, bis auf Hochgebirge und tiefe Wüsten, keine Widerstände oder Widersprüche. Eine kontinuierliche Geschichte seit 3000 Jahren, Chin Shi Huangdi oder Mao oder Deng ist egal. Sehr fleißige Menschen, hohe Kultur, aber sehr auf sich gerichtet. Minderheiten haben Exoten-Status wie Gorillas oder Pandas. Hervorragende Strassen, aber wehe es wird gebaut. Verkehrsschilder, Wegweiser etc sind unbekannt oder tauchen auf, wenn Du davor stehst. Nur bei Autobahnen ist es ok.

So habe ich trotz viel Zeit und zwei Navigationssystemen nicht den Weg rechtzeitig zum Flughafen gefunden. 45 min vor Anflug wird alles geschlossen. Ich kam 40 min vor Abflug. Feierabend. Also ging nichts mehr. Wenn Chinesen allein verantwortlich sind, geht alles. Sobald Staat oder Partei oder Kombinat, geht nichts mehr. Daran wird die rasante Entwicklung Chinas ihr Ende finden. Schrift und Sprache sind schwierig. Ich bin allerdings in mehr als 6 Wochen gut zurecht gekommen. Eine Lösung gibt es eigentlich immer, das ist das große Plus in dem riesigen Land.

Dass Chinesen Europa überrollen könnten, ist nicht zu befürchten, da es kaum Karten gibt und niemand eine Karte lesen kann. Ich habe niemanden getroffen, der Karte lesen konnte und auf den chinesischen Karten habe die Leute ihre Strasse oder ihr Hotel nicht gefunden.
Ich habe vielleicht 100 chinesische Fernradler getroffen oder gesehen. In Deutschland triffst Du an der Elbe so viele am frühen Morgen in einer Stunde.
Es gibt viel zu sagen zur Silbenschrift, zur einheitlichen Kultur, zu den Stäbchen, den Brüchen in der Geschichte, den Diktatoren, dem klassischen Beamtentum etc. Es ist sicherlich ein spannendes Thema oder auch viele Themen. Ich habe mich wenigstens die ganze Zeit in dem Land wohl gefühlt, mit einigen Ausnahmen.
So bin ich jetzt wieder in Deutschland angekommen, mit. Bahnstreik etc. Aber auch hier gibt es für jedes Problem eine Lösung, oder mehrere. So ähnlich.

on the road to shanghai!

Die Fahrt nach Shanghai rein war einfach grandios. Selbst nach Mitternacht waren Bund und Pudong Finance Center noch hell erleuchtet. Auf den Strassen war nicht so viel los wie in New York. Die Athmosphäre war jedoch beeindruckend. Wolkenkratzer in Serie im Bau, aber jeder anders. Gerade ist einer mit über 500 oder 600 m im Bau. Gedreht. Sieht aus, als hätte der Architekt den Entwurf zerknüllt in die Ecke geworfen. Der Oriental Pearl Tower mit 468 m wirkt dagegen klein und mickrig. Im Museum zur Stadtplanung wirkt der neue Turm noch gewaltiger. Zum Glück hatte ich per Zufall im Reiseführer eine billige Unterkunft direkt am Bund gefunden, so dass ich schnell ein Zimmer hatte: Captains Guesthouse, mit openair-Bar in der 6. Etage, Blick auf Pudong. Nur ist das Bier 10 mal so teuer wie sonst in China.
Der Weg nach Shanghai war wieder chinesisch: wegen Baustelle endet die Strasse, fertig. Umleitung? Warum? Die Taxifahrer wissen es doch. Navi nützt da wenig und Google Earth erfasst die neue Situation ungefähr zur nächsten Jahrhundertwende. Mit viel Phantasie fand ich dann zur alten Strassentrasse zurück und fuhr unter der neuen 6-spurigen Hochstraße im Bau entlang. Zusätzlich noch Rampen und Kreuzungen in drei Ebenen. Abenteuerlich. Und dann meinte der Himmel es noch gut mit mir und öffnete die Schleusen. Dunkel wird es ja eh sehr früh. Um so toller der Eindruck vom Bund.

lost heaven

Meine Schlemmerreise durch China hat seinen Höhepunkt und sein Ende gefunden. Im „Lost Heaven“ habe ich den kulinarischen Himmel gefunden. Allein deswegen hätte sich die lange Reise gelohnt. Wunderbare Mini-Frühlingsrollen mit süß-saurer Soße und danach Hähnchenbrust nach Yunnan-Art in scharfer Soyasauce. Dazu Rotwein (Malbec aus Argentinien) und Pelegrino. Einfach göttlich in sehr schönen stilvollen Räumlichkeiten, nettes Personal. Das Ganze in einem schönen grünen Gärten bei Sonne, Wärme und etwas Wind. Einfach perfekt.

wastl und die chinesischen Köche

Richtig frischen Fisch. Das war ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte. Nur war der Fisch ziemlich groß und schwamm noch im Becken. Schließlich hatten wir und auf die Menge geeinigt. Zuerst kam eine Schüssel mit zwei Sorten Sud auf die Herdplatte auf dem Tisch. Der Küchenjunge kam noch mit einer Schale Chilischoten, um die Menge zu klären. Der Sud köchelte. Dann kam der halbe Fisch, und zusätzlich längs halbiert. Unter Protest stellte ich alles neben die Platte und schaltete aus. Totkochen wollte ich ihn nicht. Schließlich setzte ich mich durch. Dafür kamen dann alle Beschäftigten der Küche zusammen, um zu sehen, was ich mache. So hatte ich einen wunderbar zarten Fisch in einem göttlichen Sud. Ohne Messer und nur mit Stäbchen dauerte es eine Weile, bis ich fertig war.
Heute war das förmliche Ende der Reise. Ich hatte ja einen Brief vom OBM an seinen Kollegen im Nanjing dabei. Den habe ich heute vor dem Olympiastadion – gegenüber der Stadtverwaltung – übergeben. Immerhin war der Brief über 11.000 km in meiner Satteltasche über die Seidenstrasse geschaukelt worden. Er war noch völlig ok.
Presse war auch vor Ort und anschließend war ich vom Bereich internationale Beziehungen zum Essen eingeladen. Eine Zeitung hat dabei noch ein Interview gemacht und viele Bilder, mit und ohne Fahrrad, anschließend veröffentlicht.
Nanjing ist mit über 6 Mio eine sehr große Stadt. Schon früher, mit einer Stadtmauer von 34 km Länge. Ein paar Sachen habe ich mir am nachmittag und abend noch angesehen: Minggräber, Mausoleum von Sun-Yat-Sen und Museum, Konfuzius-Tempel mit Stadtviertel (da waren dann wieder die Dutzenden an Fremdenführern mit ihren Wimpeln und der Horde Menschen. Allein ist es da schon interessanter), Uferpromenade, Olympiastadion (die olympischen Jugendspiele waren dort gerade zu Ende gegangen).
Gestern Mittag war ich nach Wuhan gekommen. Bis der Nachtbus nach Nanjing fuhr, hatte ich noch Zeit, die Stadt anzusehen. Hauptstadt der Provinz Hubei mit über 6 Mio. Eine alte Pagode, wegen der Farbe wohl Gelber Kranich genannt, den Gedenkpark für die Opfer des Aufstandes von 1911 (der führte zum Sturz des Kaisers und zur Republik mit Sun-Yat-Sen als erstem Präsidenten und Nanjing als Hauptstadt Chinas, bis 1949), der Altstadt am Ufer des Yangtse. Dort ist Mao 1966 pressewirksam zum anderen Ufer geschwommen.
Die Fahrt mit dem Nachtbus war ganz angenehm, wie Schlafwagen in der Eisenbahn. So kam ich ausgeruht in Nanjing nach 10 Stunden Fahrt an.
Die Reise geht jetzt schnell seinem Ende entgegen. Noch bis Shanghai, dann der Flieger.

Wastl und die chinesischen Stäbchen

Gerade habe ich Fisch in einer begnadeten Soja-Ingwer-Soße mit viel Zwiebeln und Knofi gegessen. Einfach köstlich. Hätte mich reinlegen können. Nur mit dem Fisch kriegen die Chinesen es einfach nicht hin:
1. zu lange gekocht und dann noch am Tisch auf hoher Flamme
2. mit Stäbchen kann man keinen Fisch tranchieren. 20 Bedienstete, die zusahen, mir mit Löffel und Gabel helfen wollten. Da wurde ich sehr unwirsch und laut. Verarschen kann ich mich alleine. Dann kam ein Mädel, das drei englische Worte konnte. Nur mit Messer beim Thema Fisch konnte sie auch nichts anfangen. In der Küche habe ich mir dann ein Schlachtermesser geholt. Besser als Stäbchen. Schließlich brachten sie mir ein normales Fleischmesser. Damit und mit den Stäbchen konnte ich den Fisch dann filettieren und die Gräten entfernen. Mindestens 20 Leute Personal sahen mir zu. Erst gackern wie üblich, dann mit offenen Mündern und leise. War auch schon Feierabend.
Ein paar kulturelle Entwicklungen sind an China vorbeigegangen:
1. der Gebrauch von Messer und Gabel, z.B. bei Fisch und Fleisch unerlässlich, es sei denn, man bevorzugt das Steak als Gyros original oder süß-sauer.
2. Gabel oder Gabel/ Löffel für Nudeln. Natürlich kann man die Nudeln von 2m Länge in den  Mund ziehen, oder mehrere Nudeln in den Mund ziehen und abbeißen, den Rest in den Teller fallen lassend, begleitet von heftigem Schlürfen und Schmatzen etc. War das nicht damals sogar Luther, der das alles propagiert hatte?
Stäbchen ist ja ganz nett, aber viele Dinge gehen nicht ohne unsere Essinstrumente. Oder es muss alles in der Küche stäbchengerecht zubereitet werden. Dann fehlt halt mancher Genuss, wie Fisch.
Ansonsten war heute ein entspannter Fahrradtag am Yangtse, zuerst noch mit Berg- und Hügelland, dann ziemlich flach: die große chinesische Tiefebene. Die Landschaft ist jetzt nicht mehr so spannend, und alles ist dicht bebaut. Da kann ich gut ein Stück mit dem Bus fahren, denn morgen Abend will ich in Nanjing sein, um den Brief des OBM übergeben zu können.