Kashgar

Morgen ist der große Feiertag in China. Hier im äußersten Westen scheint es nicht so wichtig zu sein. Die Hotels sind leer, Reiseveranstalter haben die Saison abgeschlossen. Dabei ist es angenehm warm und die Märkte sind voll wegen der Ernte. Überall Obst und Gemüse. Muss aber gründlich gewaschen werden.
Wegen der vielen neuen Eindrücke kam ich kaum in den Schlaf.
Heute dann etwas ruhiger. Moschee, Mausoleum des uigurischen Nationaldichters Yusuf (um 1000), Markt in der Altstadt. Da konnte ich an den Düften des Orients nicht vorbei und habe Safran und Cumin gekauft. Immerhin Gläser voll und 2,50 €. Zum Mittag war ich mit meinen neuen Freunden verabredet. Deren Fahrräder waren jedoch kaputt, so dass wir Essen gingen. Auch gut. Einen deutsch-sprechenden Kollegen hatten sie auch noch mitgebracht. Es war eine nette Runde in deutsch und englisch. Bei jeder Frage zu den Verhältnissen der Völker wär dann Schluss. Ist alles toll. Steht auch überall in den Kulturstätten. Vielleicht Angst. Nach 1,5 h mussten sie wieder auf Arbeit, in einer Film- und Journalisten-Firma. Ich hab dann Mittagsschlaf gemacht. Noch zu einem Mausoleum, dann zwei Kaffee geschlürft, anschließend in einer Kneipe ein Bier, danach Abendessen, und jetzt Ruhe nach dem harten Tag.
Früher gab es die vielen Fahrräder in China. Dann der Umstieg auf Mopeds und jetzt fahren alle Elektro-Motorroller. Dadurch ist es nicht so laut, man hört die Hupen deutlicher. Für die Elektro-Revolution gibt es zwei Gründe: viele Teile der Stadt sind für Mopeds gesperrt, insbesondere bei Smog und die E-Roller dürfen die Radwege benutzen. Es gibt kaum noch Fahrräder. Ich habe aber schon welche gesehen. Dann gibt es die Lasten-Motorräder, auch wieder mit E-Motor, auch Fahrradwege. Und dann wird die Strasse auf beiden Seiten für beide Richtungen genutzt. Das führt dann gelegentlich zu Stau und Chaos. Es regelt sich vieles dann von selbst. Verkehrspolizei ist selten. Geordnetes Chaos könnte man sagen. Die Ampeln werden häufig nur als lästiger Hinweis betrachtet und ignoriert. Auffallend sind die vielen uigurischen Matronen mit aufgetakelten Haaren und Kopftuch, mit Business-Kostüm oder Kindern auf dem Roller. Sie treten häufig in großen Gruppen auf mit Schwarmintelligenz. Wenn auf den kleineren Strassen dann zu viele Händler mit ihren Karren stehen, geht gar nichts mehr. Verkehrsinfarkt. Ansonsten rechts und links überholen, gegen den Verkehr fahren, plötzlich halten und schwatzen oder einkaufen. Geht alles. Fußgänger zwischendrin. Ach ja, Autos. Die gibt es auch in großer Zahl. Wenn dann die großen Strassen  6 Spuren haben, ist viel los, insbesondere dann, wenn ein Markt auftaucht. Halten, Auto auch mal in der zweiten oder dritten Reihe abstellen und schwatzen oder einkaufen gehen, oder telefonieren. Unfälle habe ich noch keinen gesehen, das Tempo ist auch geringer als bei uns.
Der Umbau der Altstadt ist widersprüchlich, tolle Pläne und Neubau der Stadtmauer wie vor 400 Jahren, aber auch Abriss der gesamten Altstadt, da nicht erdbebensicher oder was auch immer. Man könnte auch sagen, sie bauen ein uigurisches Disneyland.
Als Eiropäer fällt man ja schon auf. Von den Kindern, die von der Schaukel fielen, hatte ich schon berichtet. Vorgestern fuhr ich an einer Herde Kamele vorbei. Wie auf Befehl glotzen mich alle an und drehten ihre Köpfe parallel zu mir beim Vorbeifahren. Da kam ich mit schon vor wie so ein Alien von einem fremden Stern.
Die meisten Menschen sprechen zwei Sprachen, Chinesisch und uigurisch, das häufig mit arabischer Schrift.
Viele Schilder haben dann vier Schriften: Chinesisch, arabisch, russisch und englisch.
Nur wenige können englisch, aber ich habe bisher alles bekommen, was ich wollte. In einer Kneipe ohne Bilder ist es auch ein Glückstreffer, etwas Ordentliches zu bekommen. Dafür ist das Essen dort besser und billiger. Man kann eben nicht immer alles kriegen.
Morgen geht es dann weiter nach Osten, mal sehen, wie weit. Das Land ist jedenfalls riesig.